Stellungnahmen zur Anhörung zum Brennernordzulauf im Verkehrsausschuss des Bundestags
Die Rosenheimer CSU-Bundestagsabgeordnete Daniela Ludwig zeigte sich gestern mit dem Verlauf der Anhörung zum Brennernordzulauf im Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestags (wir berichteten) zufrieden: „Die Sachverständigen der CDU/CSU-Fraktion Wolfgang Rauscher und Landrat Otto Lederer haben ein starkes Plädoyer für bessere Lösungen zugunsten der Anwohner, aber auch der wertvollen Landschaft in der Region Rosenheim abgegeben.
Ich hoffe, dass die Abgeordneten insbesondere der Ampelfraktionen für die Forderungen von mir, den betroffenen Gemeinden sowie für die Kernforderungen des gesamten Landkreises und der Stadt Rosenheim offen sind. Es war auf jeden Fall gut, dass wir nach langer Vorarbeit die Chance hatten, das Thema so ausführlich zu behandeln und die Betroffenheit unserer Region und unsere Alternativen in Berlin darzustellen.“
Die Union verzögere den Zeitplan für die Planung des Brennernordzulaufs mit ihren Forderungen nicht, wie von Bundesverkehrsminister Wissing behauptet worden sei, so Ludwig. Die Anhörung sei ein ganz normaler Bestandteil des parlamentarischen Verfahrens und gutes Recht.
Das Foto zeigt Landrat Otto Lederer, Bundestagsabgeordnete Daniela Ludwig, Tunnelexperte Dr. Wolfgang Rauscher sowie den stellvertretenden Fraktions-Vorsitzenden – MdB Ulrich Lange.
Die Anhörung fand auf Initiative Ludwigs und auf Antrag der CDU/CSU-Fraktion statt.
Erörtert wurden die Forderungen nach einer „bergmännischen Lösung und einer Prüfung des möglichen Verzichts der Verknüpfungsstelle Kirnstein, nach einer Innunterquerung nördlich von Rosenheim sowie einer Verlegung der Verknüpfungsstelle Ostermünchen zwei Kilometer weiter nördlich“.
Für all diese Forderungen hätten die Sachverständigen gewichtige Argumente gehabt, denen man sich auch mit Kostenargumenten nicht verschließen könne, betonte Daniela Ludwig gestern
Der Rosenheimer Landrat Otto Lederer warb im Ausschuss nachdrücklich für die beste Lösung im Sinne von Mensch und Natur. Die bisherigen Planungen widersprächen den Kernforderungen des Landkreises Rosenheim deutlich. So hätten allein die oberirdische Innquerung und der weitere Verlauf der Trasse durch einen elf Meter hohen, kilometerlangen Bahndamm und 13 Meter hohe Brückenbauwerke eine massive Zerschneidung der Landschaft und eine Zerstörung von Landschaftsschutzgebieten zur Folge.
Im Inntal würde die oberirdische Verknüpfungsstelle an der engsten Stelle des Tals die Existenz der Landwirte und als Folge davon Deutschlands größtes zusammenhängendes Almgebiet gefährden.
„Es ist uns in der Anhörung gelungen, die Parlamentarier noch stärker für die besonderen Herausforderungen und Anliegen unserer Region zu sensibilisieren“, sagte Landrat Lederer nach der Anhörung. „Der Landkreis Rosenheim mit seiner außergewöhnlichen Kulturlandschaft erfordert aufgrund seiner Topografie, Siedlungsdichte, Natur, Landwirtschaft und der vorhandenen Infrastruktur eine besonders sorgfältige Planung. Die bestmögliche Lösung beinhaltet deshalb eine Innunterquerung nördlich von Rosenheim, die Verlegung der Verknüpfungsstelle im Inntal in den Wildbarren und die generelle Ausweitung der unterirdischen Streckenanteile.“
Der renommierte Tunnelexperte Wolfgang Rauscher stellte das von den Inntalgemeinden beauftragte Gutachten internationaler Experten zur Verknüpfungsstelle Kirnstein vor. Sie kämen zum Ergebnis, dass eine bergmännische Lösung im Wildbarren machbar sei. „Nach ihrer Einschätzung können auch im vorliegenden Fall die notwendigen, sicherheits-relevanten Fragestellungen gelöst und eine bergmännische Verknüpfungsstelle gebaut werden“, so Rauscher in seiner Stellungnahme an den Ausschuss.
Die „bergmännische Lösung“ fände auch die Zustimmung der betroffenen Gemeinden, betonte er. Vor allem gäbe es mit dieser Lösung die Chance auf eine deutlich raschere Realisierung des Vorhabens.
Der Antrag der Fraktion wird jetzt im Bundestag in den Fraktionen weiter beraten.
„Ich habe alles getan, was möglich war“, sagte Daniela Ludwig. „Alles weitere gilt es jetzt abzuwarten.“
Stellungnahme vom Bundestags-Abgeordneten Ates Gürpinar von den Linken
Zur Anhörung im Verkehrsausschuss zum Brennernordzulauf bedankte sich auch der Rosenheimer Bundestags-Abgeordnete Ates Gürpinar (Die Linke) bei den Expertinnen und Experten. Er wiederum kommentiert die bisherige Planung so:
„Die aktuell geplante Strecke des Brennernordzulaufs geht an den Bedürfnissen der Menschen bei uns vor Ort völlig vorbei. Sie verschandelt die Natur, gefährdet die Landwirtschaft und bringt uns keinerlei Nutzen, da die Neubaustrecke keine sinnvolle Anbindung an die Städte hat. Die Chance, mit der Neubaustrecke für die Fahrgäste den Regionalverkehr zu stärken, wird überhaupt nicht in Betracht gezogen.
Dabei liegt mit dem Ausbau der Strecke München – Mühldorf – Salzburg seit 40 Jahren ein Konzept auf dem Tisch, das die Strecke München – Rosenheim deutlich entlasten und mit dem ein Ausbau der Bestandsstrecke auf viele Jahre absolut ausreichen würde.
Die Forderungen der CDU/CSU nach noch mehr unterirdischen Lösungen verfehlen die Idee dagegen völlig. Auch Tunnelbauten verbrauchen, v.a. in der Bauzeit, sehr viel Fläche. Und eine positive CO2-Bilanz wäre damit ziemlich sicher nicht mehr zu erreichen.
Unter LKW- und PKW-Verkehr leiden die Menschen im Inntal am allermeisten, schon jetzt. Deshalb braucht es die schnellstmögliche Verlagerung auf die Schiene. Jede weitere Tunnelplanung verzögert das nur zusätzlich, die Bestandsstrecke auszubauen ist der beste Weg, zeitnah für Entlastung zu sorgen.“
Stellungnahme der Bürgerinitiativen im Landkreis
Auch die Bürgerinitiativen im Landkreis Rosenheim (BIs) und der BUND-Naturschutz hatten Gelegenheit, ihre Alternativvorschläge vorzustellen. Diese Alternativ-Variante hatten sie unter der Federführung von Dipl. Ing. Gerhard Müller, Bundesbahndirektor a. D., entwickelt.
Dieses Konzept stellte Gerhard Müller im Verkehrsausschuss vor.
Die Auswirkungen des Unions-Antrags wären seiner Ansicht nach
- Die Neuplanung und Realisierung dieser schwierigen, unterirdischen Lösungen erfordert Zeit, die Verlagerung von Güterverkehr auf die Schiene würde sich um weitere Jahre verzögern, vermutlich bis 2050.
- Die Kosten würden um mehrere Milliarden € steigen, das Nutzen-/Kostenverhältnis würde noch schlechter.
- Die CO2-Bilanz würde noch schlechter.
- Die Tunnelanteile der Strecke würden um viele Kilometer steigen, es entstünde eine beispiellose Güterzug-U-Bahn mit vielen Erschwernissen bei Betriebsführung und Instandhaltung
Das Alternativkonzept der BIs hingegen überzeuge, so Müller, durch bestechende Logik. Es sehe vor, durch die ABS 38 die Strecke München-Rosenheim vom Güterverkehr München-Salzburg zu entlasten. Das habe den großen Vorteil, dass der gesamte mögliche Mehrverkehr mit Inbetriebnahme des Brennerbasistunnels ohne Verzug aufgenommen werden könne. Das sei erreichbar durch folgende Maßnahmen:
- Beschleunigte Fertigstellung der seit 40 Jahren im Bundesverkehrswegeplan (BVWP) enthaltenen ABS 38, München-Mühldorf-Freilassing (Salzburg). Die erforderliche Kapazität wird damit schon 2032 für den beginnenden Brennermehrverkehr erreicht.
- Eine bedarfsgerechte weitere Erhöhung der Leistungsfähigkeit kann durch den Ausbau des östlichen Korridors Rosenheim-Mühldorf-Landshut-Regensburg geschaffen werden.
- Im Abschnitt Rosenheim-Kufstein sind nur noch Ergänzungsmaßnahmen erforderlich, da er bereits für eine höhere Leistungsfähigkeit vorbereitet ist.
Und Helmut Enzinger vom Bürgerforum Inntal gestern abschließend in einer Stellungnahme der Bürgerinitiativen im Rosenheimer Land:
„Nun liegt es in der Hand des Bundes-Verkehrs-Ausschusses zu wählen – zwischen einer extrem teuren Bahnplanung, die frühestens zehn Jahre nach Inbetriebsnahme des Brennerbasistunnels fertig gestellt sein wird und erhebliche Belastungen für Mensch und Natur verursacht oder einer Alternativvariante der Bürgerinitiativen, die erheblich billiger, deutlich schneller und vor allem nachhaltiger ist.“
UPDATE Am Mittag: Stellungnahme der Freien Wähler
Sepp Lausch, Mitglied des Landtags, mit dieser Stellungnahme zur Anhörung:
„William Shakespeare hätte seine Freude gehabt an der Anhörung im Bundestag zum Brenner-Nordzulauf. Bei seinem Stück ‚Viel Lärm um nichts‘ geht es hauptsächlich um Täuschung und Intrigen – Parallelen zur Anhörung sind rein zufällig: Das Ergebnis ist bereits vorher festgestanden, die Bundespolitik will ohne Rücksicht auf Verluste ein Milliardengrab durch den Landkreis Rosenheim betonieren.
Sach- oder gar Gegenargumente interessieren nicht. Akteure aus dem Nachbarland Österreich werden dazu von der SPD eingeladen, ihre österreichischen Interessen im Deutschen Bundestag breit auszurollen und die Anwesenden applaudieren auch noch.
Manche geben vor, sich stark für ihre Heimat einzusetzen, obwohl ihre Entscheidung für die Neubautrasse längst gefallen ist.
Andere wiederum stehen fassungslos daneben und müssen miterleben, wie ihre sachlichen Argumente einfach übergangen werden.
Nochmal, Shakespeare hätte seine große Freude an dem Stück gehabt# – nur, dass es tatsächlich keine Komödie ist, sondern eine Tragödie für das Rosenheimer Land.“
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