Berührende Konzerte: Angelica Heder-Loosli und der Bach-Chor in Wasserburg und Bad Endorf
Lobgesänge in diesen Zeiten großer Verunsicherungen? Wem nützt das? Nun, es ist wie beim Psychotherapeuten – nicht die äußeren Verhältnisse ändern sich, sondern der Patient wird seelisch gestärkt, um allen Zumutungen Paroli bieten zu können. So ähnlich war die Situation, als der Bach-Chor unter der Leitung von Angelica Heder-Loosli im Wasserburger Rathaussaal sowie in der Endorfer St. Jakobs-Kirche jetzt die Sinfoniekantate „Lobgesang“ von Felix Mendelssohn-Bartholdy zu glanzvoller Aufführung brachte: Das zahlreiche Publikum spendete nicht nur enthusiastisch Beifall, sondern war spürbar von der Musik erfüllt und freudig erregt. Vielleicht darf man sogar das hehre Wort „Katharsis“ verwenden und von „seelischer Reinigung“ sprechen?
Ernst Bloch äußerte sich einst unwirsch über Mendelssohn als dem „ewig freundlich lächelnden Komponisten“. Aber das trifft nur einen Teil seiner Persönlichkeit: Trotz einschmeichelnder Melodik verfügt Mendelssohn über ein beachtliches dramatisches Potential. Die Chorpartien überstürzen sich mitunter geradezu in fugierter Turbulenz und die Frauenstimmen werden in schwindelnde Höhen gejagt, ohne dass die Sängerinnen ein Fortissimo forcierten oder selbst ermüdeten. Und der Schluss „Alles, was Odem hat, lobe den Herrn. Halleluja!“ war derart präsent und mitreißend, dass ein Teil des Publikums mit dem Beifall nicht warten wollte, bis die Dirigentin die erhobenen Arme sinken ließ …
Zum Foto: Alles spricht von Qualitätssicherung – beim Bach-Chor hat man das Gefühl, seit Corona finde durch die inspirierende Leiterin eine kontinuierliche Qualitätssteigerung statt. Schon der Anblick des Chors ist beeindruckend, gefühlt schier eine Hundertschaft … Und Bässe wie Tenöre verschafften sich selbstbewusst und mühelos Gehör.
Mendelssohn setzt nur drei Gesangssolisten ein. Seit Jahren ist die Sopranistin Priska Eser eine feste Größe. Schlank und geschmeidig strahlt ihre Stimme, in allen Lagen ausgeglichen und tragend. Wenn sie auf die bange Frage des Tenors „Hüter, ist die Nacht bald hin?“ zuversichtlich antwortet: „Die Nacht ist vergangen“, spürt jeder Zuhörer die enorme emotionale Kraft. Zu dem Duett „Ich harrete des Herrn …“ gesellte sich harmonisch mit silberglitzerndem Sopran Birgit Schönberger.
Quasi als Quoten-Mann überraschte und begeisterte der junge Tenor Manuel Ried mit seiner überaus präzis geführten Stimme, die nicht nur mit großer Textverständlichkeit punktete, sondern durch die eindringliche Kraft seiner Interpretation überzeugte: „Stricke des Todes hatten uns umfangen und Angst der Hölle hatte uns getroffen, wir wandelten in Finsternis.“
Als Orchester firmierte das „Bach Collegium Wasserburg“ (Konzertmeisterin Marija Hackl). Es hatte nicht nur brav zu begleiten, sondern zunächst einen fast halbstündigen Sinfoniesatz zu bewältigen. Der gesamte Lobgesang dauert immerhin eine gute Stunde. Damit das Konzert auch abendfüllend würde, setzte man vorneweg noch die Choralkantate „Wer nur den lieben Gott lässt walten“.
Die Streicher grundierten sensibel und klangsatt den Chor und die von Priska Eser gesungene Sopranarie. Besondere Aufmerksamkeit wurde der Interpretation der Choräle gewidmet: Diese waren meilenweit entfernt von mediokrem Kirchengesang, da wurde jede Phrase auf Hochglanz poliert. Ergreifend der Choral Nr.8 im Lobgesang („Nun danket alle Gott“): Unvermutet nach der vorangegangenen Klangpracht setzte der Chor a cappella ein. Eine Steigerung durch Reduktion der Mittel – schier atemberaubend …
Im Programmheft werden wir belehrt: „Der Lobgesang hat das Potential, eine große Gemeinschaft in Jubel ausbrechen zu lassen. Alle werden mit einbezogen in diesen Lobgesang, auch die Zweifelnden und Ängstlichen, eben ‚Alles was Odem hat‘“.
Dem ist nichts hinzuzufügen …
Walther Prokop
Foto: Werner Gartner
…das war ein phänomenaler Abend.
Ein Juwel für Wasserburg.
Ich war restlos begeistert.