Landgericht Traunstein verurteilt Angeklagten wegen elf Fällen des gewerbsmäßigen Einschleusens
Das Landgericht Traunstein verurteilte jetzt einen mehrfach vorbestraften 32-jährigen Mann mit türkischer Staatsangehörigkeit insbesondere wegen gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern in elf Fällen, wobei acht Fälle mit einer lebensgefährlichen Behandlung der geschleusten Personen verbunden waren, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren und sechs Monaten. Zugleich wurde die Einziehung von 54.000 Euro angeordnet.
Die Ermittlungen der Spezialabteilung der Staatsanwaltschaft Traunstein zur Bekämpfung der grenzüber-schreitenden und organisierten Kriminalität nach dem „Traunsteiner Modell“ und der Bundespolizeiinspektion Freilassing hatten ergeben, dass der Anfang November 2023 festgenommene Angeklagte dringend verdächtig ist, im Zeitraum von April bis September 2023 zahlreiche Schleusungsfahrten in das Bundesgebiet organisiert zu haben. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, da der Angeklagte, der sich weiterhin in Untersuchungshaft befindet, Revision eingelegt hat.
Nach den Feststellungen der 1. Strafkammer des Landgerichts Traunstein organisierte der 32-jährige Angeklagte die Schleusungen, indem er in den meisten Fällen das Schleuserfahrzeug und einen Fahrer beschaffte, dem er genaue Anweisungen erteilte. Nur in einem Fall soll er selbst teilweise als Fahrer tätig gewesen sein. Bei den elf Schleusungsfahrten wurden nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme insgesamt 80 Personen, darunter zehn Kinder, vor allem aus Österreich, aber auch aus Polen und der Slowakei über verschiedene Grenzübergänge in das Bundesgebiet gebracht. Bei den geschleusten Personen handelt es sich ganz überwiegend um türkische und irakische Staatsangehörige. In acht der elf Fälle hatten die Schleuserfahrzeuge zu wenige Sitzplätze, sodass die geschleusten Personen ungesichert – zum Teil auf Ladeflächen oder im Kofferraum – transportiert wurden. Im Falle eines Unfalls drohten ihnen lebensgefährliche Verletzungen. Der Angeklagte soll insgesamt einen Schleuserlohn von mindestens 54.000 Euro erhalten haben.
Der Angeklagte war nicht geständig, die Schleusungen wurden jedoch zur Überzeugung der Kammer aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme nachgewiesen. Von besonderer Bedeutung waren hier die umfangreiche Auswertung der sichergestellten Mobiltelefone sowie des Tiktok-Accounts des Angeklagten. Die Spezialabteilung zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden und organisierten Kriminalität nach dem „Traunsteiner Modell“ hatte in enger Zusammenarbeit mit der Bundespolizeiinspektion Freilassing umfangreiche Ermittlungen geführt sowie Beweismittel beschafft und ausgewertet, um die Beteiligung des Angeklagten als Organisator an den einzelnen Schleusungen nachweisen zu können.
Mit seiner rechtlichen Bewertung folgte das Landgericht weitgehend der Anklage der Staatsanwaltschaft Traunstein.
Der Leiter der Staatsanwaltschaft Traunstein Dr. Wolfgang Beckstein wertet die Höhe der vom Landgericht verhängten Freiheitsstrafe im Bereich von über zehn Jahren als wichtiges Signal zur Abschreckung im Kampf gegen diese besonders rücksichtslose Art von organisierten Schleusungen und betont: „Die Einführung der Spezialabteilung nach dem „Traunsteiner Modell“ im Jahr 2018 hat sich bewährt. Gerade bei der Verfolgung der organisierten Schleusungskriminalität wirken sich die Spezialisierung, der enorme Ermittlungsaufwand und der stetige Ausbau der internationalen Kontakte sehr positiv aus: Mittlerweile gelingt es uns, in mehr als der Hälfte aller Schleusungsdelikte Hintermänner oder weitere Täter und weitere Schleuserfahrten der Täter zu ermitteln und strafrechtlich zu ahnden. Dadurch können wir hohe, abschreckende Strafen wie im vorliegenden Fall erreichen.“
Mit dem Strafmaß von zehn Jahren sechs Monaten blieb die Strafkammer nur knapp unter der Strafforderung der Staatsanwaltschaft von elf Jahren. Strafschärfend hatten sich nach den Ausführungen der Vorsitzenden Richterin in der mündlichen Urteilsbegründung insbesondere die zahlreichen und sehr erheblichen Vorstrafen des Angeklagten und die Vielzahl der gewerbsmäßigen und gefährlichen Schleusungstaten ausgewirkt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, der Angeklagte hat Revision eingelegt.
Hintergrund:
Das sogenannte „Traunsteiner Modell“ zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden und organisierten Kriminalität wurde 2018 bei der Staatsanwaltschaft Traunstein und in den Folgejahren nach und nach bei allen grenznahen bayerischen Staatsanwaltschaften eingeführt. Die jeweiligen Spezialabteilungen arbeiten bei der Verfolgung von international agierenden Schleuserbanden, Drogen- und Waffenhändlern nicht nur eng mit den ausländischen Polizei- und Justizbehörden zusammen, sondern auch mit Eurojust und Europol. Ziel ist es, durch eine Spezialisierung, Intensivierung und Koordinierung internationaler Ermittlungen erfolgreich Strukturermittlungen zur Ergreifung und Überführung der Hintermänner durchzuführen.
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