Junge Frau aus Ecuador und ihr so wertvoller Bundesfreiwilligendienst in der Stiftung Attl
Bereits seit fünf Jahren arbeiten junge Menschen aus Ecuador im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes in der Gärtnerei der Stiftung Attl mit. Mit großem Engagement helfen sie nicht nur in der Produktion, sondern auch in der Betreuung und Beschäftigung der arbeitenden Menschen mit Assistenzbedarf und bringen südamerikanisches Flair in die Stiftung Attl. Seit einem Jahr nun schon leistet die 25-jährige Kerly Freire Mesias aus Ecuador (Foto) diesen Bundesfreiwilligendienst in Attl …
Der Bundesfreiwilligendienst wurde im Jahr 2011 in Deutschland eingeführt, um Menschen die Möglichkeit zu geben, sich für das Allgemeinwohl – insbesondere im sozialen, ökologischen und kulturellen Bereich – zu engagieren. Was eigentlich eine Kompensation für den davor weggefallenen Zivildienst sein sollte, ist vor allem eine Gelegenheit – nicht nur für junge Menschen – für einen begrenzten Zeitraum Erfahrungen im sozialen oder pflegerischen Bereich zu machen.
Diese Möglichkeit nutzen auch Menschen aus entfernten Regionen der Welt. Als Freiwillige können sie sich in Deutschland sozial engagieren. Seit über zehn Jahren kooperieren die Erzdiözese München und Freising und die Diözese Ecuador bei der Vermittlung junger Menschen aus Südamerika an verschiedene Einsatzorte in Bayern – unter anderem an die Bahnhofsmission in München, Kolpinghaus in Poing und auch in die Gärtnerei der Stiftung Attl.
„2019 bekamen wir eine erste Anfrage von der Diözese“, berichtet Robert Mayer, Heilerziehungspfleger in der Attler Gärtnerei. Er betreut die jungen Menschen aus Ecuador. „Mittlerweile hat schon die fünfte Freiwillige ihren Dienst hier begonnen.“ Mayer ist der erste Ansprechpartner für die jungen Menschen, die zu Beginn ihres Dienstjahres erst einmal die deutsche Sprache erlernen müssen. Aber selbst diese Barriere ist schnell überwunden und Kontakte zu Mitarbeitenden und Betreuten schnell hergestellt.
Seit fünf Jahren Freiwillige aus Ecuador
„Die Begleitung der Freiwilligen geht jedoch manchmal über die reine Arbeit in der Gärtnerei hinaus“, beschreibt Robert Mayer seine Aufgaben. Da könne es schon mal vorkommen, dass man jemanden auch mal am späten Abend von einem entfernten Bahnhof abholen müsse, weil ein Zug ausgefallen sei. Aber auch gemeinsames Kochen oder ein Spieleabend gehören dazu.
Für die Bundesfreiwilligendienst-Leistenden aus Ecuador ist ihr Einsatz in der Stiftung eine Bereicherung; in der Regel haben sie zuvor noch nicht mit Menschen mit Assistenzbedarf zusammengearbeitet. In Ecuador gibt es keine vergleichbaren Einrichtungen. Zumeist können sie aber bereits ein abgeschlossenes Studium vorweisen.
Herzliche Begegnungen mit Tanzeinlage – beim Besuch einer Delegation aus Ecuador waren Berührungsängste, sollte es sie gegeben haben, schnell abgebaut in der Stiftung Attl.
Hier hatte Kerly Freire Mesias beim Besuch einer Delegation aus Ecuador extra einen Tanz mit den Beschäftigten einstudiert, an dem sich die Besucher des fernen Landes spontan beteiligten …
Alle Seiten profitieren
Von der Arbeit in den Gewächshäusern oder auf den Gemüsefeldern, Seite an Seite mit den Beschäftigten mit Handicap, profitieren alle Beteiligten. Als zusätzliche Arbeitskräfte helfen sie das betreuende Personal zu entlasten und lernen selbst viel über Zierpflanzen- und Gemüsebau. Auch die betreuten Beschäftigten profitieren vom südamerikanischen Temperament, dass die Ecuadorianer in die Gärtnerei bringen. So lockern sie beispielsweise in den Pausen mit Tanzangeboten die Arbeit an den Pflanztischen oder in den Gewächshäusern auf.
Das Foto unten zeigt Max Leirer und Kerly Freire Mesias sowie Felix Neuhäusler.
Im November besuchte eine größere Gruppe, bestehend unter anderem aus ehemaligen Freiwilligen sowie Mentoren und Projektverantworlichen aus verschiedenen Erzdiözesen in Ecuador – zusammen mit Vertretern aus der kooperierenden Diözese München und Freising – einen Tag lang die Stiftung Attl, insbesondere die Gärtnerei.
Siehe das Gruppenfoto unten …
Bereits im vergangenen Jahr hatte eine Delegation aus Deutschland die Diözese in Ecuador besucht. Jetzt gab es in Attel auch ein herzliches Wiedersehen mit Dennis Espin, der als erster Projektteilnehmer seinen Dienst in der Stiftung Attl vor fünf Jahren geleistet hatte. Auch die Ehemaligen David Castillo und Herison Vera wurden freudig begrüßt.
Mit einer Führung ging es durch die Stiftung Attl und die Attler Pfarrkirche. Eine gemeinsame Andacht am Abend beendete den Besuch.
Nach ihrer Zeit in der Stiftung Attl kehren nicht alle Freiwillige in ihre Heimat Ecuador zurück.
David Castillo blieb erst einmal in der Stiftung Attl und schloss in kürzester Zeit eine Ausbildung zum Gärtner im Fachbereich Gemüsebau ab.
Auch Herison Vera arbeitet nach wie vor in Deutschland.
Und Kerly Freire Mesias möchte noch mehr Berufserfahrung sammeln, studieren und dann nach Ecuador zurückkehren, um sich an integrativen Projekten in den Bereichen Natur und Soziales zu beteiligen.
„Wir profitieren sehr von diesen jungen Menschen“, sagt Robert Mayer. „Ihre Mentalität und ihre Offenheit bereichern unsere Arbeit.“
Für alle ergebe sich die Möglichkeit, den Horizont zu erweitern.
„Ruhe und Zufriedenheit“ – ein Interview
Kerly Freire Mesias (25) ist eine junge Forst-Ingenieurin aus Ecuador. Sie leistet seit einem Jahr Bundesfreiwilligendienst in der Attler Gärtnerei – wir haben mit ihr gesprochen …
Wie kam es dazu, dass du dich für einen Freiwilligendienst in der Attler Gärtnerei entschieden hast?
In Ecuador habe ich mich viel in meiner Kirchengemeinde engagiert, wo ich von der Möglichkeit erfahren habe, einen Freiwilligendienst in Deutschland zu leisten. Ich war von dieser Idee sofort begeistert und obwohl der Auswahlprozess sehr anspruchsvoll war, stellte ich mich gern der Herausforderung.
Ist es das erste Mal, dass du mit Menschen mit Assistenzbedarf zusammenarbeitest?
Obwohl ich zuvor bereits mit Kindern und älteren Menschen gearbeitet hatte, hatte ich noch nie die Gelegenheit, mit Menschen mit Behinderungen zusammenzuarbeiten. Es standen verschiedene Projekte zur Auswahl und ich habe mich schließlich für die Gärtnerei in der Stiftung Attl entschieden. Die Idee, mein Interesse an Pflanzen mit der Möglichkeit zu verbinden – in einem so inklusiven Umfeld zu arbeiten – das hat mich angesprochen. Die Erfahrungen hier sind für mich sehr bereichernd. Dieser Ort ist wirklich wunderbar und hat all meine Erwartungen übertroffen.
Gibt es in Ecuador auch Einrichtungen wie die Stiftung Attl?
Nein, in dieser Form gibt es das bei uns nicht. Es gibt in Ecuador zwar Schulen und Unterstützung für Menschen mit Behinderung, aber vergleichbare Arbeitsangebote fehlen. Oft sind diese Menschen zuhause und haben keine Möglichkeit, in Arbeit integriert zu werden. Es ist wirklich beeindruckend, welche Möglichkeiten hier für Menschen mit Handicap geboten werden.
Was gefällt dir hier an deiner Arbeit am besten?
Für mich ist die Gärtnerei ein Ort, an dem nicht nur Pflanzen wachsen, sondern auch Menschen. Beide haben die Möglichkeit, sich zu entwickeln und zu wachsen. Das motiviert mich bei meiner Arbeit am meisten und ist sehr inspirierend.
Wie lange bist du noch in der Stiftung Attl?
Ursprünglich hatte ich geplant, nur ein Jahr zu bleiben. Aber ich habe jetzt um ein halbes Jahr bis zum kommenden März verlängert. Die Zeit hier war sehr wertvoll und hat mir die Möglichkeit gegeben, viel zu lernen. Danach möchte ich mir neue berufliche Möglichkeiten suchen und mein Studium fortzusetzen. Ich werde in mein Heimatland zurückkehren und mich an sozialen und inklusiven Projekten im Bereich der Natur beteiligen.
Woran wirst du dich am liebsten erinnern, wenn du nach Ecuador zurückkehrst?
Nach einem Jahr in der Attler Gärtnerei fällt es mir schwer, nur eine Erinnerung zu nennen. Die Zeit hier war wundervoll. Ich habe mit Menschen mit Behinderungen gearbeitet und dabei habe ich viel gelernt – nicht nur über die Arbeit selbst, sondern viel über Geduld, Empathie und Zusammenarbeit. Umgeben von Pflanzen habe ich neue ökologische Methoden kennengelernt. Was ich am meisten vermissen werde, ist die Ruhe und Zufriedenheit, die diese Arbeit mir gegeben hat sowie die wertvollen Beziehungen, die ich hier aufgebaut habe. Diese Erfahrungen werde ich für immer in meinem Herzen tragen.
MJV
Fotos: M. Wagner
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