Sondersitzung gestern - Andrang im Rathaus groß - Nicht alle Bürger fanden Platz

Der Andrang war so groß, dass nicht mehr alle Rotter Bürger gestern Abend Zutritt bekommen konnten in den Sitzungsraum des Rathauses (Foto): Es ging mit besonderer Brisanz für die Gemeinde um die kurz vor Weihnachten erteilte Baugenehmigung für das Landratsamt Rosenheim durch das Landratsamt in Rosenheim – wir berichteten – für eine Erstaufnahme-Einrichtung für bis zu 270 Flüchtlinge in einer ehemaligen Lampen-Fabrik am Eckfeld in Rott.

Der Rotter Gemeinderat hatte im Rahmen der eigens einberufenen Sondersitzung die Beratung und Beschlussfassung bezüglich einer etwaigen Klage vor Gericht auf seiner Tagesordnung. Im Raum stand dabei auch die Einreichung eines Eilantrags  – das ist ein Antrag auf die Anordnung einer aufschiebenden Wirkung der Klage. 

Per Video-Schalte war Rechtsanwalt Jürgen Greß aus München zugeschaltet, der die rechtliche Prüfung dieser Baugenehmigung gestern zusammenfassend erläuterte. Zu dieser rechtlichen Prüfung war er von der Gemeinde Rott nach der letzten Gemeinderatssitzung am 19. Dezember 2024 beauftragt worden.

Unter anderem sagte der Anwalt, das Landratsamt hätte eine der Turnhallen, um die es explizit wegen der Belegung in Raubling sowie Bruckmühl gehe, längst frei bekommen, wenn der Alternativ-Vorschlag der Gemeinde Rott akzeptiert worden wäre. Monate seien hier vertan worden von der Behörde. Nach „eigentlich guten Gesprächen“, so Jürgen Greß, sei dann „Knall auf Fall“ die Alternative plötzlich aus wirtschaftlichen Gründen abgelehnt worden. Und jetzt zur Baugenehmigung stelle das Landratsamt geradezu „falsche Behauptungen“ auf zum Thema alternatives Grundstück.

Zudem seien durch diese Baugenehmigung am Eckfeld die Belange der Gemeinde Rott überhaupt nicht berücksichtigt worden, betonte der Rechtsanwalt gestern. So sei die von der Gemeinde gefasste Veränderungssperre ausgehebelt worden – ebenso die Festsetzung der Rotter, dass es keine Wohnungen mehr im Interesse der Gewerbetreibenden am Eckfeld geben werde.

Ganz abgesehen, so Greß, von dem „Riesenthema Wasser-Versorgung“ – denn es sei nun einmal völlig ausgeschlossen von der Kapazität her, nun plötzlich 270 Menschen zusätzlich zu versorgen. Das sei dem Landratsamt hinreichend bekannt. Und das neue Rotter Baugebiet „Rotter Feld“ brauche die Gemeinde und könne nicht – wie von Regierungspräsident Konrad Schober angedeutet – einfach mal eben dafür „geopfert“ werden (wir berichteten).

Über ein Jahr lang habe das Landratsamt außerdem nichts am „unzureichenden Brandschutz“ in der Fabrik am Eckfeld planungstechnisch geändert, was die Gemeinde kritisiert habe. Auch die Sanitär-Anlagen für die vielen Menschen seien im Plan der Behörde genau die gleichen wie vor einem Jahr …

Von der Quecksilber-Belastung des Gebäudes ganz zu schweigen. Da will das Landratsamt – wie berichtet – die beiden haupt-betroffenen Räume nun nicht mehr als Schlafräume belegen, wie ursprünglich vorgesehen.

Alles in allem beurteile er als Anwalt die Baugenehmigung als zum teil „sehr dürftige Überlegungen“. Besonders falle hier auf, dass es gar keine Baubeschreibung, kein Konzept für die Unterbringung gebe. Das alles sei „ein rechtswidriges Verhalten“ in seinen Augen. Da in die Planungshoheit der Gemeinde Rott so massiv eingegriffen werden, rate er dringend zu einer Klage vor Gericht, sagte Jürgen Greß gestern Abend.

Auch die Verpflichtung des Bauherrn, zum genannten Ende der Mietdauer am Eckfeld zum 1. Oktober 2028 das Gebäude wieder zurückzubauen – sie fehle.

In der Diskussion im Gemeinderat nahm Hans Gilg von den „Bürgern für Rott“ auf Letzteres Bezug: „Wenn diese Verpflichtung zum Rückbau fehlt, dann denken die vom Landratsamt doch gar nicht daran, Ende 2028 die Halle am Eckfeld nicht mehr zu belegen …“

Absolut verärgert zeigte sich auch Hans Kirschbaum vom „Rotter Forum“ gestern Abend: „Ich bin beruflich auch nicht auf der Brennsuppn daherkemma – hab Erfahrungen mit Behörden, aber solche Machenschaften sind mir in all den vielen Jahren nicht begegnet. Eine Vier-Wochen-Frist durch die vielen Feiertage so knapp vor Weihnachten einfach auf zwei Wochen zu reduzieren? Früher hat es stets einen sogenannten ‚Weihnachtsfrieden‘ auch von behördlicher Seite gegeben …“

Und Christoph Sewald von der SPD verstand seinerseits die Welt nicht mehr: 13 Monate lang sei vom Landratsamt eine Kompromiss-Bereitschaft signalisiert worden und jetzt das. „Wir haben alles versucht und wir haben jetzt keine andere Möglichkeit mehr, als zu klagen“, sagte er und auch, dass er massiv enttäuscht sei von der „hohen Politik“.

Sebastian Mühlhuber von der CSU sah das gestern Abend genauso, dass Rott jetzt keine andere Möglichkeit mehr bleibe leider, wie er erklärte – auch wenn so eine Klage erneut mit einem immensen Arbeits- und Zeitaufwand verbunden sei.

Die Alternative von Rott mit dem Argument der Unwirtschaftlichkeit abzutun, das wiederum ärgert Max Zangerl von den „Bürger für Rott“ extrem: „Ja klar“, ein Super-Argument sei das vom Landratsamt, aber dafür „über ein Jahr lang enorme Steuergelder verschwenden als Miete“ für eine leerstehende Halle am Eckfeld – nur weil sich niemand vor der Unterschrift um Problematiken am Eckfeld gekümmert hatte, die dem Landratsamt im Haus vorlagen – „so geht’s doch einfach ned“, sagte Zangerl.

Der Rotter Bürgermeister Daniel Wendrock hatte zuvor seinerseits sachlich erklärt, dass es „berechtigte, juristische Zweifel an der Baugenehmigung des Landratsamtes“ gebe. Er empfinde das gesamte Vorgehen des Landratsamtes als „inakzeptabel“. Nach über einem Jahr lang mit unzähligen Diskussionen und Treffen sei es „der letzte Akt der Behörde“ zum vergangenen Weihnachtsfest gewesen.

Wendrock betonte, er wolle bei allen Diskussionen aber auch nach vorne schauen und deshalb müsse die Asylpolitik – landkreisweit gesehen – dringend geändert werden. Es könne wahrlich nicht sein, die Flüchtlingspolitik über so viele Jahre „einfach den Zufällen eines Immobilien-Marktes“ zu überlassen, warf er dem Landratsamt vor. „Anstelle sich um eine gerechte Verteilung friedlich zu bemühen“, so Wendrock. Die Bürgerinitiative in Rott habe eigens bereits ein „Rosenheimer Modell“ erarbeitet und auch dem Petitionsausschuss des Landtags präsentiert gehabt – im Namen der Solidarität, der Kooperation und vor allem auch im Namen der Gerechtigkeit (wir berichteten).

Der Rotter Bürgermeister schloss ab, er habe die Vision, man arbeite künftig „mit den Gemeinden zusammen – und nicht gegen sie“, so wie er leider von Seiten des Landratsamtes Rott gegenüber das Gefühl habe.

Einstimmig beschloss der Gemeinderat in Rott dann, die Rechtsanwalts-Kanzlei HGRS aus München mit einer Klage gegen die Baugenehmigung des Landratsamtes Rosenheim vom 18. Dezember 2024 zu beauftragen sowie die Kanzlei zudem mit einem Antrag auf die Anordnung einer aufschiebenden Wirkung der Klage zu beauftragen.

Die Klage werde nächste Woche rausgehen, so der Bürgermeister abschließend.

Fotos: Renate Drax

UPDATE am Mittag:

Die Bürgerinitiative „Rott rottiert“ nimmt am heutigen Mittag zu dem Beschluss im Gemeinderat wie folgt Stellung:

„Diese Entscheidung erfüllt unsere Erwartungen und zeigt eindrucksvoll, dass die Belange und Sorgen
der Bürgerinnen und Bürger ernst genommen werden.
Den Bürgermeister sowie alle Mitglieder des Gemeinderates möchten wir für ihr Engagement
ausdrücklich loben. Mit ihrem Votum setzen sie ein klares Zeichen dafür, dass sie sich aktiv für
die Interessen unseres Dorfes einsetzen.
Die einstimmige Entscheidung des Gemeinderates verdeutlicht das starke
Zusammengehörigkeits-Gefühl innerhalb der Gemeinde und den unermüdlichen Einsatz für eine
positive Entwicklung unseres Dorfes.

Die Sorgen und Ängste der Bevölkerung wurden gehört und
fließen nun in die rechtlichen Schritte ein, die wir mit Zuversicht angehen.“

Siehe auch:

Keine schöne Weihnachts-Überraschung für Rott