Bürgerinitiativen im Rosenheimer Land schreiben den Koalitions-Verhandlern zum Nordzulauf
Die Bürgerinitiativen im Rosenheimer Land zum Brenner-Nordzulauf haben ein gemeinschaftliches Schreiben an die Teilnehmer der Arbeitsgruppe Verkehr bei den aktuell laufenden Koalitions-Verhandlungen von CDU/CSU sowie SPD zur neuen Bundesregierung gesandt.
Fünf knackige Punkte sind Inhalt des Schreibens. Trotz des beschlossenen 500 Milliarden-Infrastruktur-Pakets sehen die Bürgerinitiativen die dringende Notwendigkeit, zu sparen, wo das Sparen möglich sei. Daher haben die Bürgerinitiativen sich entschlossen, auf die Beratungs-Gremien zuzugehen und Empfehlungen auszusprechen.
Die wichtigsten Grundsätze einer zukunftsorientierten Verkehrspolitik im Bereich der Bahn seien hierbei:
1. Ausbau vor Neubau
2. Zuverlässigkeit vor Hochgeschwindigkeit
3. Klimabahn statt Betonbahn
4. Bahnausbau im Einklang mit Natur und Umwelt
5. Massive Verbesserung des Bahnangebots für den Güterverkehr
Da etwa 90 Prozent der Bahnkunden im Nahverkehr unterwegs seien, stelle die Restrukturierung des Nahverkehrsnetzes den Schwerpunkt der Infrastruktur-Maßnahmen Bahn dar. Hochgeschwindigkeits-Trassen mit einem hohen Anteil an Tunneln sehen die Bürgerinitiativen da eher kontraproduktiv.
Natur- und umweltschonende Baumaßnahmen mit höchstem Lärmschutz für die Bevölkerung stehen dabei an oberster Stelle. Die Verlagerung von Gütern von der Straße auf die Schiene sei zur Entlastung des Straßenverkehrs so rasch wie möglich umzusetzen.
Auch wenn es verlockend klinge, mit einer halben Billion Euro Hochleistungsstrecken zu kreieren, gebe es hier doch einige Einschränkungen. Allein jeweils 100 Milliarden Euro des Pakets seien für Klimaschutzmaßnahmen und Kommunalinvestments reserviert. Die verbleibenden 300 Milliarden seien für Investments auf zwölf Jahre zu verteilen, also 25 Milliarden pro Jahr. Bei den bekannten Investitions-Rückstaus bei Straßen, Autobahnen, Brücken, ÖPNV, Bahn und Datennetz sei es angesagt, die Mittel sinnvoll zu steuern.
Am Beispiel Brenner-Nordzulauf, aktuell von der Bahn für eine Neubautrasse von Grafing bis Kiefersfelden mit rund zehn Milliarden Euro veranschlagt, gebe es eine Alternativvariante, die – je nach Ausbaustufe – nur maxímal 25 Prozent der von der Bahn kalkulierten Kosten ausmache und zudem umweltfreundlicher und schneller zu realisieren wäre.
Die Bürgerinitiativen wollen daher die Vertreter der Koalitionsausschüsse auffordern, in diesem Sinne die staatlichen Mittel verantwortungsvoll zu nutzen …
Das Schreiben im Wortlaut:
Verkehrspolitische Vereinbarungen im Koalitionsvertrag
Die instabile Weltwirtschafts- und -sicherheitslage erfordert hohe finanzielle Mittel (Verteidigung, Gesundheitswesen, Bildung, Umwelt, Verkehr). Einsparmöglichkeiten, die sich offensichtlich anbieten, sollte die Regierung vehement nutzen. Trotz der desaströsen Lage der Bahn und dem damit verbundenen Investitionsbedarf lassen sich besonders in diesem Bereich zig Milliarden einsparen und an anderer Stelle sinnvoll verwenden.
Wir bitten Sie dringend unseren Vorschlag zu Grundsätzen einer zukunftsorientierten Verkehrspolitik im Bereich der Bahn für die neue Bundesregierung in den Koalitionsvereinbarungen zu berücksichtigen.
Ausbau vor Neubau
Die Bestandsstrecken der Bahn sind in weiten Teilen veraltet, fehleranfällig und marode. Die bisher geplante Generalsanierung umfasst mit ca. 4000 km nur etwa 10% des Gesamt-Streckennetzes. Deshalb muss die gesamte bestehende Bahn-Infrastruktur grundlegend und nachhaltig erneuert werden. Neubau-Trassen sollten grundsätzlich nur geplant und gebaut werden, wenn sie unbedingt nötig sind und es keine Alternativen durch Ausbau des Bestands gibt. Zum Beispiel gibt es für die geplante Hochleistungs-Neubaustrecke im Brenner-Nordzulauf eine schnellere, billigere und nachhaltigere Alternative durch Ausbau der Bestandsstrecken.
Zuverlässigkeit vor Hochgeschwindigkeit.
Der geplante Deutschlandtakt soll die Anforderungen des Zielfahrplans 3 erfüllen, der einen Schwerpunkt auf neue Hochgeschwindigkeitsstrecken legt. Für Reisende sind aber Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit einer durchgehenden Bahnverbindung wesentlich wichtiger als Zeiteinsparungen im Minutenbereich. Deshalb muss der Zielfahrplan mit dem Ziel Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit vor Hochgeschwindigkeit überarbeitet werden.
Klimabahn statt Betonbahn.
Viele geplante Neubaustrecken enthalten neben der Grundlast durch Gleiskörper, Schienen und sonstige Maßnahmen große Anteile an Tunneln und Brückenbauwerken. Insgesamt werden dadurch CO2-Emissionen verursacht, die niemals durch wegfallenden Verkehr kompensiert werden können. Um den durch Gesetze und Verfassung festgelegten Klimaschutzzielen gerecht zu werden, müssen deshalb Neubauten insbesondere mit großen Anteilen an Tunneln und Brückenbauwerken unterlassen werden.
Bahnausbau im Einklang mit Natur und Umwelt
Beim gesamten Bahnausbau ist verstärkt auf die Auswirkungen auf Natur und Umwelt zu achten. Insbesondere ist auch an Bestandsstrecken der Lärmschutz zum Schutz der Bevölkerung massiv zu verstärken.
Massive Verbesserung des Bahnangebots für den Güterverkehr.
Der Anteil der Bahn am gesamten Gütertransport muss aus Umweltgründen wesentlich erhöht werden. Dazu müssen ausreichende Fracht-Terminals geplant und gebaut werden. Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit und Wirtschaftlichkeit des Bahn-Güterverkehrs müssen massiv und nachhaltig verbessert werden. Der Bahn-Güterverkehr darf nicht zu Gunsten von Hochgeschwindigkeitsstrecken vernachlässigt werden.
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