Vier Tage lang ging es in Bad Aibling „ans Licht“: Das Doku-Festival „Nonfiktionale" fand statt
Vier Tage lang ging es in Bad Aibling „ans Licht“- es fand die „Nonfiktionale“ der Stadt statt. Und wie immer lebte das Doku-Festival insbesondere von den zahlreichen Begegnungen vor Ort, den inspirierenden Diskussionen und Gesprächen, diesseits und jenseits des Kinosaals. 14 Wettbewerbsfilme aus Deutschland, Österreich und der Schweiz waren ins Rennen um die Preise gegangen, die im Rahmen einer festlichen Preisverleihung jetzt verliehen wurden. Am Ende der erfolgreichen 17. Festivalausgabe gab es glückliche Gewinner und viele beseelte Gäste …
Zum Foto: Szene aus der Sieger-Doku „Im Prinzip Familie“ von Daniel Abma …
Dokumentarfilm bedeutet Sichtbarkeit. Menschen und ihre Geschichten ins Rampenlicht zu rücken, ist für Filmschaffende Alltag und moralisches Dilemma zugleich. Insbesondere wenn bisher geheim Gehaltenes oder Verborgenes öffentlich gemacht wird. Im filmischen Raum werden in Dunkelheit getauchte Ecken hell ausgeleuchtet. Bisher Unausgesprochenes wird laut. Verfälschtes wird ins richtige Licht gerückt. Der Drehprozess wird so zum Katalysator oder Korrektiv.
Wie gelingt dabei der Spagat zwischen Respekt vor der Privatsphäre und einem begründeten gesellschaftlichen oder politischen Interesse? Wo gilt es, aufzudecken und Transparenz auch gegen Widerstände herzustellen? Wo müssen filmische Mittel gefunden werden, um die Identität der Protagonisten bewusst zu verbergen, um sie zu schützen?
Mit dem Motto „Ans Licht“ zeigte man Filme, die sich im Spannungsfeld von Privatsphäre und Öffentlichkeit, Transparenz und Verschleierung, Geheimnis und Enthüllung positionierten und aus der Reibung, im Privaten wie auch im Politischen, Funken schlugen.
Im Rahmen der Preisverleihung 2025 vergab die Jury – bestehend aus (im Bild von links Aldo Gugolz, Michelle Koch und Michael Palm – folgende Preise:
Nonfiktionale-Preis der Stadt Bad Aibling
Der mit 2.000 Euro dotierte Nonfiktionale-Preis der Stadt Bad Aibling geht an:
„Im Prinzip Familie“ von Daniel Abma – im Bild ganz oben die Siegerehrung.
Begründung der Jury:
Die Gründe für ihren Aufenthalt sind unterschiedlich, doch allen mangelt es an Stabilität, Orientierung und Zuneigung. Was ihre Eltern ihnen nicht zu geben vermögen, versuchen drei ErzieherInnen zu kompensieren, die fünf Kindern in einer Wohneinrichtung in idyllischer Natur ein temporäres Zuhause bieten und dabei im Schichtdienst weitaus mehr leisten als Wäsche waschen, Medikamente verabreichen, Schulbrote schmieren und Telefonate mit Behörden, Bildungsträgern und Eltern führen.
Niemals bewertend, sondern stets respektvoll, empathisch und voller Anerkennung für die Ausdauer und Kraft, mit der sowohl die jungen als auch erwachsenen Protagonist*innen ihren Alltag bestreiten, Enttäuschungen, Stress und psychischem Druck standhalten, begleitet der Film diese „Familie auf Zeit“ über mehrere Jahre.
Dabei gelingt es Daniel Abma ob der Schwere des Themas, die Ambivalenz des Lebens und die Herausforderungen von Beziehungsarbeit mit großer Leichtigkeit in der Schwebe zu halten.
Der Film wird am heutigen Mittwoch, 26. März, um 19.30 Uhr noch einmal gezeigt.
Dedo-Weigert-Film-Kamerapreis
Der von Dedo Weigert Film gestiftete Sachpreis in Form einer Felloni-LED-Flächenleuchte, samt Zubehör geht an
„Heute mit Zucker und morgen weiß ich noch nicht“ von Annaka Minsch und Léon Hüsler – Bildgestaltung: Balz auf der Maur
Begründung der Jury:
Der Tod ist nah – buchstäblich um die Ecke. In einem Hospiz irgendwo in der Zentralschweiz vermisst der Film die Topografie einer Institution, in der die letzten Tage von Menschen begleitet und verwaltet werden. Die Kamera verharrt in Vor-Räumen, Korridoren und begrünten Innenhöfen des Hauses, sucht nie nach Sensationen und insistiert auf respektvoller Distanz. Ganz nah hingegen hören wir im Ton die Gespräche der PflegerInnen mit Sterbenden, die wir nicht sehen: Sätze des Trosts, letzte Worte und Laute und gelegentlich die Aussicht darauf, dass es morgen vielleicht weiter geht.
Auf diese Art entsteht ein kollektiver Dialog von Stimmen und geisterhaften Körpern zwischen Routine und Empathie, eingerahmt von den Räumen des Sterbehauses: Das Hospiz als rätselhafter Terminal. Ab und zu schleicht eine Katze um die Ecke.
Wir gratulieren den RegisseurInnen Annaka Minsch und Léon Hüsler und besonders dem Kameramann Balz auf der Mauer zu dieser dichten, meditativen Studie.
Lobende Erwähnung
Kamerafrau Laura Köhler (Foto oben) nahm die lobende Erwähnung entgegen für
„Heimweh“ von Maja Bresink
Begründung der Jury:
Nach einem Bild von bunten Wiesenblumen könnte die Handlung am Anfang noch kurz ins Positive gehen. Doch dann verbergen Wände und Fensterläden eines alten verlassenen Hauses eine tiefe Verletzung im Halbdunkel. Körper und Seele verschließen sich ab jetzt für lange Zeit der Außenwelt.
In ihrem Film „Heimweh“ bringt Maja Bresink behutsam Licht in eine dunkle Erinnerung. Die Zeit aber heilt von sich aus keine Wunden, wir müssen es selber tun, damit das rissige Haus irgendwann wieder bereit ist sich dem Licht zu öffnen.
Mit „Heimweh“ ist der Filmemacherin eine in sich stimmige, poetische Metapher gelungen, die uns tief berührt und dazu anregt, Verletzungen ans Licht zu holen, damit sie genesen können.
Bürgerpreis
Der mit 500 Euro dotierte Bürgerpreis wurde von der Schülerjury bestehend aus Elisa Englhauser, Lena Vidal und Sonja Schmid (Foto unten) verliehen an den Film
„Sieben Winter in Teheran“ von Steffi Niederzoll (im Bild oben im Gespräch)
Begründung der Jury:
Der Film von Steffi Niederzoll rückt ein Thema in den Fokus, über das man hierzulande wenig weiß. Eine junge Frau wird zu Unrecht zum Tode verurteilt, nachdem sie aus Notwehr einen Mann erstochen hat.
Die Zuschauer werden auf eine emotionale Achterbahnfahrt mitgenommen. Über einen Zeitraum von sieben Jahren erleben sie den Kampf der schuldig Gesprochenen und ihrer Familie für Gerechtigkeit mit. Indem Tagebucheinträge, Interviews und heimlich gedrehte Handyaufnahmen ineinander verwoben werden, beleuchtet die Filmemacherin anhand einer Geschichte das frauenfeindliche System im Iran.
„Sieben Winter in Teheran“ überzeugt durch das Erschaffen einer unmittelbaren Nähe zum Geschehen, weshalb er für uns ein würdiger Träger des Bürgerpreises ist.
Fotos: Nonfiktionale Aibling
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